Tagebuch
Mai
Happy Birthday Lila und Happy Birthday Remus. Am 4. Mai ist unsere Lila 3 geworden und am 7. unser süßer Remus 1. Die feiern waren schön und unsere kleinen hatten Spaß. Jeder auf seine weise. Lila hat die Familie aufgemischt und Remus hat sich knuddeln lassen. Dadurch das Lila in letzter Zeit regelmäßig zu kurz kommt, habe ich entschieden die Geburtstage separat zu feiern. Das war eine Menge Arbeit und backerei, aber es hat sich gelohnt, da Lila die ungeteilte Aufmerksamkeit genossen hat. Meine Lila macht mir momentan eh Sorgen, da Sie sich wieder vermehrt in die Hose macht, obwohl Sie nun schon länger tagsüber trocken ist. Ich vermute, dass Sie sich vernachlässigt fühlt. Ich versuche nun öfter den Remus zu meiner Mama zu geben, damit ich mehr Zeit mit Lila habe.
Remus hat Fieber und ich bekomm es nicht gesenkt, heute fahre ich zum Arzt, damit er durchgecheckt wird. Die Kinderärztin ist sich unsicher, da Remus immer recht laute Atemgeräusche hat und diese in der letzten Zeit zunehmen. Sie überlässt mir die Entscheidung, ob wir ins Krankenhaus gehen oder nicht. Da Remus seit Januar nicht trinkt (seit ich abgestillt habe, hat er noch immer kein Fläschchen, Glas, Becher o.Ä. akzeptiert) beschließe ich, dass wir uns ins Krankenhaus einweisen lassen, damit er nicht dehydriert. Leider konnte ich niemanden finden, der Lila von der Kita abholt wenn ich im Krankenhaus bin, also nehmen wir Sie einfach mit.

Nach gruseliger Blutabnahme an Remy´s Kopf und einem Röntgenbild seiner Lunge steht fest, dass er eine Lungenentzündung hat. Wir müssen also hierbleiben. Mama hat Lila schon abgeholt und kümmert sich um Sie bis Sebastian von der Arbeit kommt. Remus geht es nicht so gut und er lächelt nicht. Er schläft viel und bekommt seine Medikamente durch die Infusion die an seinem Kopf ist. Mir ist ziemlich langweilig, da ich das Zimmer möglichst nicht verlassen soll und ich mich nicht wirklich auf mein Handy konzentrieren kann. Ich hasse es, wenn mir meine Depressionen meine Konzentration raubt.

Endlich Remus lächelt wieder und ist fitter. Wir dürfen auch wieder nach Hause. Diese Woche kam mir ewig vor.
Ich gehe mittlerweile wieder zur Psychologin um mit meinen Depressionen klar zu kommen, und kam von einem anstrengenden Gespräch nach Hause, nur um von meinem Mann wieder mit dem typischen Geldgejammer angefallen zu werden. Da ist mir dann die Kette gerissen und ich habe Ihm eine ganze Stunde mal meine Seite der Medaille erklärt. Ich möchte ja gerne Arbeiten gehen, ich habe auch ne Tagesmutter für Remus gefunden, ich habe ja nach Arbeit gesucht. ABER ich kann nicht weg solange Remus krank ist, bzw. solange wir nicht wissen was mit Ihm los ist. Ich bin mittlerweile von der Arbeitsagentur aussortiert worden, da ich durch die Therapien die Remus hat und die Übungen die er benötigt nicht genug Stunden zur Verfügung stellen kann. Ich bekomme keinerlei Geld vom Amt. Ich bekomme von meinem Mann keine Unterstützung. Ich kümmert mich 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr um unsere Kinder und habe kaum Pausen und muss auch noch meinem Mann hinterher räumen. Ich habe langsam keine Kraft mehr dafür und wenn er sich nicht langsam zusammen reißt und mich zur Abwechslung mal unterstützt statt mich nur dauernd niederzumachen, werde ich meine Kinder einpacken und gehen. Dann sitzt er alleine in seinem neuen Haus und ich krieg Unterhalt, Hartz4 und muss mich nur noch um zwei Kinder statt drei kümmern. So hart wie dieser „Gespräch“ naja eher Monolog war, so wichtig und heilend war er für unsere Ehe. Seit diesem Tag an dem er dann über alles was ich gesagt habe nachgedacht hat ist unsere Ehe viel besser geworden. Ich hab Hilfe und bin viel weniger gereizt und kann mich auch liebevoller um meinen Mann kümmern. Er hat eine Ehefrau und keinen Hausdrachen mehr (zumindest meistens). Also Win – Win auch wenn es für uns beide eine wirklich dunkle Stunde war.
Wir haben die Info bekommen, dass bald unser Reha-Buggy kommt, dann muss ich Remus nicht mehr ewig tragen, er wird immer schwerer und fühlt sich im Manduka nicht mehr so wohl.
April
Der April fing direkt mit der ersten Ergotherapie-Sitzung an. Hier sind wir wirklich gerne. Remus mag Vibrationen sehr gerne. Und auch auf die Druckpunkte reagiert er gut. Nach der ersten Therapie habe ich in einem Online-Sexshop dem Remus einen kleinen Bullet-Vibrator in Form eines blauen Häschens gekauft. Er liebt Ihn. Seit er diesen hat und viel mit Ihm spielt ist seine Arm und Handmuskulatur stärker geworden. Im Prinzip hält er diesen nur fest und manchmal hält er sich den ins Gesicht und steckt sich die Öhrchen in den Mund. Aber es wirkt Wunder.
Am 4. April war ich dann mit Remus im HTZ in der Hilfsmittel-Sprechstunde. Hier war ich total verunsichert und habe mich innerlich sehr gegen das ganze gewehrt, besonders weil sowohl mein Mann als auch meine Hebamme und Physiotherapeutin gegen die Hilfsmittel sind. Petra meine Ergotherapeutin hat gesagt, dass es für Remus hilfreich ist. Aber innerlich hab ich mich total gegen das ganze gewehrt. Als Remus dann in diesem gruseligen Therapiestuhl saß wurde mir ganz anders aber ich bin tapfer geblieben. Danach haben die dann erstmal den Therapie-Buggy reingeholt. Da hab ich Remus dann reingesetzt und er hat angefangen zu strahlen und mit den Händen zu spielen und war sehr happy. Da das Teil nicht anders aussieht als ein aufgemotzter Kinderwagen habe ich zugestimmt, dass dieser zu uns kommt. Dann haben die einen anderen Therapiestuhl reingebracht und diesmal hat Remus darin auch Spaß gehabt und aktiv darin gespielt. Und da er am Abend vorher sich bis zum Tisch gerollt hat damit er bei uns beim Abendessen sein konnte habe ich auch zum Therapiestuhl ja gesagt. Mehr wollte ich aber nicht, da ich immer noch glaube das Remus bald selbstständig sitzen kann.
Am 19. April hatten wir dann den Termin beim Kinderneurologen im Krankenhaus. Hier haben wir uns extra viel Zeit frei gemacht, damit wir endlich alles geklärt kriegen. Allerdings wurden unsere Fragen wieder nicht beantwortet. Die Ärzte und Schwestern waren sehr nett und liebevoll. Aber nach EKG, Ultraschall und Untersuchung durch den Neurologen, konnte nur festgestellt werden, dass er muskelhypoton ist und eine vergrößerte Leber und Milz hat. Was das bedeutet, konnte man uns leider nicht sagen. Dr. Conrad wollte gerne, dass wir uns an einen Muskelspezialisten wenden und hat seinen Bekannten Dr. Stüve aus Köln vorgeschlagen. Also sind wir wieder nach Hause, diesmal mit mehr Fragen als vorher und einem weiteren Arzt zum aufsuchen.
Kurzum wieder warten auf einen Termin bei Dr. Stüve im SPZ bei der Kinderklinik Amsterdamer Straße Köln. Aber wir sind weiterhin voller Hoffnung, dass Remus gesund wird, oder zumindest die Möglichkeit besteht, dass er ein langes und glückliches halbwegs normales Leben hat.
Februar und März
Im Februar haben wir dann mit der Physiotherapie nach Vojta angefangen. Ich weiß, viele finden das Vojta grauenhaft ist. Aber ich kenne meinen Sohn. Remus liegt viel auf dem Boden und versucht vorwärts zu kommen statt nur seitlich zu Rollen. Er motzt ohne unterlass weil er frustriert ist, dass er es nicht schafft. Und bei Volta benutzt er die gleiche Stimme. Es tut Ihm also nicht weh er ist nur frustriert, dass es nicht so funktioniert wie er es möchte. Wir fahren also einmal die Woche ca. 30 km (eine Strecke) um in der nächsten großen Stadt Physiotherapie zu machen und machen dann noch dreimal am Tag die Übungen zu Hause. Und ich sehe wirklich Fortschritte. Er kann sich mittlerweile leichter aufstützen und sogar nach Sachen greifen, wenn er auf dem Bauch liegt. Mir fällt es nicht leicht die drei Einheiten täglich durchzuziehen, da mir das weinen dabei doch ziemlich aufs Gemüt schlägt. Aber wir machen weiter. Und sehen täglich kleine Fortschritte.
Unsere Kinderärztin hat uns gebeten uns beim HTZ (Heiltherapeutisches Zentrum) anzumelden. Nachdem ich mir den Fragebogen für die Anmeldung angesehen habe frage ich mich wirklich, ob ich dahin soll. Irgendwie sieht das aus wie für schwerkranke Kinder und mein Sohn hat doch nur eine Muskelhypotonie. Ich bespreche das ganze also nochmal mit meiner Physiotherapeutin und Kinderärztin. Beide finden das ich diese Anmeldung machen soll, also mach ich es.
Am 19.03.2019 haben wir dann unseren Termin im HTZ. Gott sei Dank, denn normalerweise ist die Wartezeit ca. 3 Monate. Die dortige Ärztin schaut sich Remus genau an und teilt die Meinung unserer Kinderärztin, das Remus an Muskelhypotonie leidet. Darüber hinaus möchte Sie, dass wir mit Remus zum Kinderneurologen im Ortsansässigen Krankenhaus gehen. Außerdem vereinbart Sie mit mir, dass ich im April in die Pflegemittelsprechstunde soll.
Nach diesem Termin bin ich also genauso schlau wie vorher. Wir wissen, dass unser Sohn einen Entwicklungsrückstand hat, und dass wir zum nächsten Arzt müssen. Meine Hebamme kann nicht verstehen, dass das alles so lange dauert und findet die Idee das Remus Hilfsmittel brauchen könne schwachsinnig. Auch ich und unsere Physiotherapeutin denken so. Der wird bald sitzen und laufen, wir müssen nur dran bleiben.
Wir beschlossen außerdem, dass es nicht Schaden könnte mit Remus auch zur Ergotherapie zu gehen und meine Hebamme kennt eine gute. Also rief ich dort an und vereinbarte für den 1. April einen Termin. Am 17.04. ist der Termin beim Neurologen im Krankenhaus.
Ende März war ich also, genervt aber guter Hoffnung, dass mein Sohn trotzdem ein schönes und relativ normales Leben führen wird.

Der Anfang des Endes
Remus hat sich sehr gut entwickelt. Er war immer sehr schlank hat aber an der Brust gut getrunken. Bei der U5 im Oktober 2018 war Remus noch standardgemäß entwickelt. Auch wenn er bei der PekiP-Gruppe wenig mitgespielt und mehr zugesehen hat, habe ich mir keine Sorgen gemacht, immerhin sind Jungs ja immer bisschen langsamer und meine Lila war ja sowieso immer 6 Wochen vor der Norm.
Im November und Dezember haben wir dann, auf Wunsch meines Mannes, ein Haus gekauft, renoviert und bezogen. Aus diesem Grund habe ich Remus weiterhin gestillt, statt Ihn auf andere Nahrung umzustellen. Remus hat auch nie einen Schnuller oder ein Fläschchen aktzeptiert, daher war es schwer für mich mal eine Auszeit von Ihm zu nehmen. Während dieser Zeit hatte Remus häufig Erkältungen und über Weihnachten auch mit Lila zusammen eine Bindehautentzündung. Trotzdem war er ein aktiver, zufriedener und freundlicher kleiner Junge.
Im Januar bin ich dann mit Remus und unserer Familienhebamme Doro (diese haben wir bekommen, da ich mit meinen Depressionen zu kämpfen hatte) schwimmen gegangen. Da ist uns dann zum ersten mal aufgefallen, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Denn statt wie normale Babys im Wasser aufzuleben und zu plantschen, lies er sich einfach hängen. Er hat sich kaum bewegt und fand auch die bunten Bälle nicht wirklich interessant. Zuhause ist es nie aufgefallen, da ich bis heute mit Ihm duschen gehe, da er die Badewanne nicht mochte.
Nach diesem Ereignis bin ich zu meinem Kinderarzt marschiert und habe diesen Vorfall erläutert und um Hilfe gebeten. Unsere Kinderärztin hat sich Remus angeschaut und festgestellt, dass er vermutlich Muskelhypoton ist.
Muskelhypoton bedeutet, dass die Muskeln nicht genug Spannung aufbringen können um sich selbst zu bewegen, hier hilft Krankengymnastik um ein recht normales Leben führen zu können. Muskelhypotone Menschen haben es schwerer, da Sie viel mehr Energie für normale Tätigkeiten wie Sitzen, Laufen und Stehen aufbringen müssen und deswegen weniger Energie haben um z.B. nachzudenken für Prüfungen. Die Menschen sind nicht dümmer, aber allein das Sie sich bei der Prüfung im Sitz aufrechterhalten müssen, hindert Sie daran Ihr volles Potential zu entfalten.
Nach dieser „Vorabdiagnose“ habe ich meine Krankenkasse wild gemacht, damit die mir den aller schnellsten Termin bei einer Physiotherapie machen, da ich überall nur zu hören bekommen habe „vor März ist nichts möglich“. Ich meine: HALLO?!?!? mein Kind ist 8 Monate alt, hier muss jetzt was passieren und nicht erst in 2,5 Monaten!
Meine Krankenkasse hat dann im 50km Radius eine Physiotherapeutin gefunden die uns ab Februar aufnehmen konnte.
Ich und die Schwangerschaft
Also kurz zu mir, ich bin 31 und leide selbst seit Jahren an Depressionen. Ich habe im Juni 2017 meinen Vater plötzlich verloren und habe darunter schwer gelitten. Vor dem Tod meines Vaters hatte ich das Gefühl, dass ich mit meinem Ehemann nicht mehr klar komme und war am Überlegen, ob ich es meiner damals 1 jährigen Tochter zumuten kann, mich von meinem Mann zu trennen. Diese Überlegungen legte ich dann auf Eis, da ich mich ganz um meine Mutter, Schwester, Tochter und die Auflösung der Firma meines Vaters kümmern musste. In dieser Zeit habe ich trotz der Belastung relativ gut durchgehalten und habe meinen Job gemacht und das Leben aller wieder in ruhigere Bahnen gelenkt. Ich hatte aber das Gefühl, dass ich meiner Tochter nicht gerecht werde und nicht gut genug für Sie bin, daher wollte ich keine weiteren Kinder mehr.
Anfang September habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin und in der gleichen Woche meinen Job (welcher mich sehr unglücklich gemacht hat) verloren. Seit dem bin ich zuhause. Nachdem ich den Schwangerschaftstest gemacht habe, habe ich erstmal hysterisch heulend meine Mutter angerufen. Aber selbstverständlich habe ich mich nach dem ersten Schock auf mein kleines Baby gefreut. Als ich im Oktober erfuhr das es ein Junge wird, bin ich wieder weinend zusammen gebrochen, da ich Angst hatte, das mein Sohn genauso ein Lausbub wird wie mein Vater es war. Diese Angst hat mich ziemlich lange begleitet, auch wenn ich mich auf den kleinen Mann gefreut habe, fiel es mir schwer meine Depressionen in Schach zu halten. Dazu war die Schwangerschaft ziemlich beschwerlich. Im Februar wurde es so schlimm, dass ich mich um einen Platz in der Psychiatrie gekümmert habe. Dort war ich dann 5 Wochen lang… hochschwanger… NIE WIEDER!!!
Trotz meiner mehrfachen Bitten um Essen welches ich mit Schwangerschaftsdiabetes essen darf, haben die es nicht hinbekommen mich vernünftig zu ernähren, so dass ich mir meine Lebensmittel selbst besorgt habe. Therapiegespräche hatte ich in den 5 Wochen ganze 2 mal. Einmal in der 3. Woche ne Stunde und das zweite mal am Tag der Entlassung für 15 Minuten. Außerdem wollten die mich in Sport stecken… Der Sportmensch hat mich angeguckt und weggeschickt, verständlich. Musiktherapie war auch nicht möglich, weil ich durch die starken Schmerzen die ich durch den riesigen und schweren Bauch, die 1,5 km nicht zur Musiktherapie laufen konnte ohne danach für 3 Stunden zu liegen. Blieb also nur noch die Ergotherapie… 2 mal die Woche eine Stunde lang. Versteht mich nicht falsch, ich liebe basteln, aber in diesen 5 Wochen habe ich sonst gar nix anderes von denen geboten bekommen als ungefähr 7 Stunden (die anderen sind ausgefallen) basteln, was ich selbst bezahlen musste, hunger, den zwang jede Woche mein Bett selbst neu zu beziehen und ruhe.
Ruhe. Das war das was mir da am meisten was gebracht hat. Und natürlich die netten Mitpatienten. Vermutlich wären zwei Wochen Urlaub alleine in einem schönen Wellnesshotel besser, kürzer und gesünder gewesen, aber das hätte ich mir nicht leisten können. So musste ich ja „nur“ 180€ für Kost und Logis zahlen und dann noch die Bastelmaterialien. Wenigstens durfte ich am Wochenende immer nach Hause meine Tochter besuchen.
Während all der Zeit habe ich keine Medikamente genommen, da ich meinen ungeborenen Sohn nicht schädigen wollte.
Am 07.Mai 2018 (drei Tage nach dem 2. Geburtstag meiner Tochter Lila) wurde dann in einer kurzen und unkomplizierten Spontangeburt mein kleiner Prinz geboren. Mein kleiner Remus. Kern gesund und voller Charm.
Seither hat Remus jedes Herz gebrochen und auch die mürrischsten U-Bahn-Gäste zum Lächeln gebracht.