Remus' Weg

August

Im Urlaub hat Remus zweimal beim Liegen auf meiner Brust Zuckungen gehabt. Außerdem ist zweimal sein Munddreieck (Nase und Mund) blau angelaufen. Das ganze hat mich nicht locker gelassen also habe ich sofort am Tag nach unserer Rückkehr in der Kinderklinik in Köln angerufen und gefragt ob das bei seiner Krankheit normal ist. Die haben mich dann gebeten, sofort zu kommen und noch eine Woche Gast in der Amsterdamer Straße zu sein.

Nachdem ich Lila untergebracht, meinen Mann und meine Mutter informiert habe bin ich also mit Remus nach Köln gefahren. Das Packen hat sich schwierig gestaltet, da wir ja keine saubere Wäsche mehr hatten. Dort wurde dann erneut ein EEG gemacht, in welchem Remus die Zuckungen erneut hatte. Daraufhin konnte man uns immerhin mitteilen, dass es keine Epileptischen Zuckungen sind, sondern Myoklonien die bei dem Krankheitsbild vermutlich normal sind. Das blaue Munddreieck hat jedoch weiterhin für Beunruhigung gesorgt. Jedoch ist es nicht wieder aufgetreten.

Die Testergebnisse sind noch nicht alle da, aber man konnte schon viele Krankheiten ausschließen und übrig bleiben nur noch „Blöde Krankheiten“. Die Ärztin die mir mitteilen musste, dass dies bedeutet, das mein Sohn vermutlich nie wieder gesund wird, er mehr und mehr vergessen wird und vielleicht sogar früh Sterben muss, war selbst den Tränen nah. Auch die Schwestern auf der Station waren sehr bedrückt an dem Tag.

Nach dem Gespräch ging es mir soooooo schlecht, ich bin erst mal rausgegangen und habe die Raucher gefragt wo man Zigaretten kaufen kann und dann von einer netten Frau eine bekommen. Danach bin ich dann los hab mir einen Schokomuffin gekauft und auf dem Weg zum Kiosk gegessen, auf dem Rückweg habe ich dann noch eine geraucht und dann wieder einen Muffin gegessen. Dann bin ich zurück auf Station hab meinen Sohn wieder im Schwesternzimmer abgeholt und habe mit ihm gekuschelt und etwas geweint.

Mittlerweile habe ich auch meine Mutter und meinen Ehemann darüber informiert, dass Remus wohl schwer krank ist. Und habe einen Notruf an meine Nicht-Tante Judith geschickt. Diese wohnt nicht weit von der Kinderklinik entfernt und hat mich auch bei unserem letzten Aufenthalt oft besucht. Heute hat sie eigentlich keine Zeit, aber ich brauche jemand hier, also bat ich Sie mir Ihren Sohn oder Mann zu schicken, da es mir sehr schlecht ging. Gott segne diese Familie, denn nicht lange darauf waren Judith und Ihr Mann Stefan bei mir und haben mich getröstet und sind mit mir zum Café gegangen um etwas zu essen. Ohne diese beiden hätte ich den Abend vermutlich nicht so gut überstanden. Diese beiden haben mir in meiner Zeit im Krankenhaus so viel gegeben. Durch ihre Fürsorge habe ich die Kraft weiterzumachen. Trotz Depressionen bin ich einsatzbereit und in der Lage nicht um meine Kinder zu kümmern. Trotz der schlechten Nachricht, bin ich in der Lage aufrecht der Zukunft entgegen zu treten und sie so zu nehmen wie sie kommt.

Ich höre immer wieder wie sehr mich meine Mitmenschen bewundern wie ich mit unserer Situation umgehe. Ich höre es von den Ärzten von Remus, seinen Therapeuten, meiner Psychotherapeutin, meinem Psychiater, meiner Familie, der Psychotherapiegruppe, Lila’s Kindergärtnerinnen und so vielen anderen Menschen. Und es tut mir gut es zu hören, aber es ist für mich so selbstverständlich. Was bringt es mir, wenn ich jetzt jammer und flehe, bettel und bete, mich verkrieche und heule? Meine Lila braucht mich. Mein Mann braucht mich. Und ganz besonders mein Remus braucht mich jetzt. Ich werde den Teufel tun und meine Familie im Stich lassen. Ich werde Remus ein schönes Leben machen, bei uns und nicht in irgendwelchen Einrichtungen. Ich werde unser Leben schön machen und feiern das wir Remus haben, solange wir Ihn haben. Ob es nun 5 oder 10 oder 20 Jahre sind die wir Ihn haben, diese werde ich nicht damit verbringen zu trauern, dass er krank ist und vielleicht früher gehen muss. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um es uns so schön wie möglich zu machen.

Diesen Monat haben wir zum Beispiel mit Remus noch die Heilpädagogik mit ins Boot geholt, damit er noch mehr interessante Sachen sieht, fühlt und vielleicht sogar lernt.