Remus' Weg

26. Juli

Hallo Ihr Lieben,

und schon wieder ist sehr viel Zeit ins Land gegangen und ich habe nicht geschrieben. Bitte entschuldigt mich. Ich versuche heute alles nachzuholen.

Fangen wir am 29.06. an.

Wie besprochen haben wir an dem Morgen Remus ins Hospiz gebracht, nachdem Lila im Kindergarten war. Der Abschied viel mir wie immer sehr schwer und ich habe ihn versprochen ihn schnell abzuholen. Denn wenn am Nachmittag die Einleitung ist, bin ich ja Freitag wieder daheim und kann ihn dann Montag wieder holen, oder nicht?

Also haben wir den Abschied kurz gehalten, da ich sonst gar nicht gegangen wäre. Wir sind dann von Wiesbaden aus direkt nach Koblenz in den Kemperhof. Sebastian durfte natürlich wegen Corona nicht mit, deswegen hat er beim Auto gewartet. Nach über einer Stunde Wartezeit hat der Arzt mich dann endlich untersucht und einen Ultraschall gemacht, während ich ihm mein Leid (Schmerzen, krankes Kind (Remus), großes Kind (Ro), überdrehtes Kind (Lila), Schmerzen, Psychische Überforderung, Schmerzen, Diabetes, falscher ET im Mutterpass, usw.) geklagt habe. Die Untersuchung war ziemlich halbherzig, er hat auch nach dem Muttermund geschaut der war aber angeblich noch zu, meine Hebamme hatte aber zwei Tage vorher Untersucht und da war er schon ca. 2,5cm offen… Und das Teil geht nicht wieder zu … Danach wurde ich dann wieder auf den unbequemsten Stuhl der Welt verbannt. Mittlerweile waren meine Schmerzen echt unerträglich geworden vom ganzen sitzen und auch meine Füße waren angeschwollen (Wasser hatte ich die ganze Schwangerschaft nicht, erst ab dem Tag). Dann kam er wieder uns sagt „Der Chefarzt hat gesagt wir leiten nicht vor ET (12.07.) ein, nehmen sie gegen die Schmerzen halt Schmerzmittel“ Ich war total geschockt, also ehrlich ich denke ich hatte medizinisch gesehen einen Schock. Ich konnte es gar nicht begreifen, dass die mich so hängen lassen ich bin sofort in Tränen ausgebrochen und wusste gar nicht was ich sagen soll. Ich hab dann unzusammenhängende „aber“ gebrabbelt und war total überfordert. Die Reaktion vom Doktor war „Hören sie auf zu heulen Frau Jung, ich kann ihnen höchstens anbieten, dass sie nächste Woche nochmal zur Untersuchung kommen. Sie können doch Schmerzmittel nehmen“

Ich konnte gar nicht mehr zuhören und bin aufgestanden und gegangen, auf dem Weg zum Auto hab ich dann Sebastian angerufen, dass er das Ticket bezahlen soll und im Auto habe ich dann heulend meine Hebamme angerufen und alles erzählt (ich mein warum mehrmals erzählen wenn man Ehemann und Hebamme gleichzeitig informieren kann, oder? Sebastian war nicht begeistert, er hatte lieber erst erzählt bekommen und ich hätte dann die Hebamme angerufen, aber ich war wirklich nicht gut zurecht). Meine Hebamme war auch total geschockt, die hätte auch nicht gedacht, dass ich wieder Heim muss.

Den Rest des Tages habe ich alles geblockt, ich war schwer depressiv und wollte mit niemanden Reden oder irgendwas machen. Es waren auch nicht nur die Schmerzen, dass schlimmste war, dass wenn ich bis zum 12. warten muss, muss auch Remus so lange und noch länger warten. Der Gedanke, dass Remus im Hospiz wartet und wartet und Mama nicht kommt und er den Mut verliert, hat mich regelrecht zerstört.

Die nächsten Tage habe ich alles getan um Wehen zu bekommen, ich habe mich durch den Schmerz gebissen und mich angestrengt, ich habe mich von meiner Hebamme behandeln lassen und Nelkenöltampons benutzt.

Freitag den 2.07. hatte ich dann um 08.00 Uhr einen Termin bei meinem Gynäkologen. Dort habe ich gar nicht viel geredet, weil es mir immer noch nicht besser ging, ich hatte wenig getrunken und war immer kurz vorm weinen. Der Doktor hat mich auch nur kurz untersucht und mich dann um 10:00Uhr mit einer neuen Einweisung wieder ins Krankenhaus geschickt. Diese Einweisung war so geschrieben, dass es für das Krankenhaus Konsequenzen hätte wenn die mich wieder wegschicken.

Also sind Sebo und ich nach Hause gefahren, haben meine Tasche geholt und ich habe noch kurz ein Brötchen gegessen und was getrunken und dann ging es weiter nach Koblenz. Wir waren ungefähr um 11 Uhr im Krankenhaus und ich bin dann wieder zum Kreissaal. Dort hat mich diesmal eine Hebamme in Empfang genommen und direkt in einen CTG Raum gebracht. Dort wurde ich dann angeschlossen und die Hebamme hat mich untersucht mit dem Ergebnis, dass der Muttermund schon gute 3cm offen ist, einige Zeit später kam dann wieder der Doktor vom letzten mal und hat mich zum Ultraschall geholt. Dort sagte er dann immer wieder „das sieht gut aus“, danach bin ich wieder ans CTG angeschlossen worden und ich habe Sebo geschrieben, dass ich gerne wüsste was gut aussieht. Als der Doktor mir dann gegen 12 den Zugang gelegt hat wusste ich das ich quasi Aufgenommen wurde und es wirklich losgeht. Die Hebamme hat dann für den Doktor entschieden dass wir mit dem Gel arbeiten und es mir dann auch um viertel nach 12 verabreicht. Sie war zuversichtlich, dass unser Junge noch am gleichen Tag kommt, das habe ich dann auch Sebo geschrieben, damit er bei seinem Chef bescheid sagt, dass er nicht arbeiten kommt (er hätte Spätschicht gehabt). Sie hat dann bis um 13 Uhr noch CTG weiterschreiben lassen und mich dann Spazieren geschickt.

Ich hatte Schmerzen… Ich bin unten vor der Tür im Park gestanden und hab auf Sebastian gewartet mich aber geweigert zu laufen. So hat er mir dann geholfen mich auf die Bank zu setzen, dann habe ich ihn geschickt meine Tasche holen. Als er zurück kam hat er mich wieder hoch zum Kreissaal geschickt. Wieder oben angekommen, habe ich einer anderen Schwangeren so einen schrecken eingejagt, dass diese direkt in den Kreissaal gerannt ist und meine Hebamme geholt hat (Kreissaal heißt die Abteilung, die ist nicht in eine Geburt geplatzt. Sie war im Flur vor den „Geburtsräumen“. Dort darf man aber eigentlich auch nicht einfach rein, aber die Tür stand offen und statt zu klingeln ist sie einfach rein).

Hebamme: Na Frau Jung wollten sie schon wieder zu mir zurück

Ich: Jup.

Hebamme: möchten Sie nochmal auf’s Klo?

Ich: Hmmm. Joaaa? Ich glaub schon.

Ich auf dem Klo: Oh nee -.-

Hebamme: Alles gut?

Ich bewegungsunfähig auf dem Klo: Neeee

Hebamme: ich komm jetzt rein

Ich: Ok, können Sie mir hoch helfen.

Ich beim Waschbecken: Eure Seife ist leer, wollte ich vorhin schon sagen.

Hebamme lacht: Ich gebe es weiter.

Wir verlassen das Bad und stehen im Flur

Hebamme zeigt auf ein paar Türen eine davon auf: Ich hab den Kreissaal für uns vorbereitet. Geh schonmal rein und aufs Bett.

Ich: Den mit dem lila Ball? (Im Kreissaal war ein schöner Lila Sitzball)

Hebamme: Genau der.

Ich schuffle in den Kreissaal Richtung Bett und Kram mein Handy aus der Tasche, Hebamme kommt rein und macht die Tür zu: Kann ich jetzt meinen Mann rufen?

Hebamme: Ja ist wahrscheinlich besser.

Ich ruf Sebastian an 13:22 Uhr: KOMM!

Hebamme nimmt Handy und Handtasche und stellt es auf die Couch während ich versuche Leggings und Schlüpfer loszuwerden und aufs Bett zu klettern. Hebamme musste mir dabei helfen. Hebamme fragt währenddessen nach meiner Fruchtblase und ich antworte das die höchstens leicht gerissen ist, aber nicht geplatzt.

Hebamme: Dann mal bitte auf die Seite legen damit wir noch ein CTG machen können.

Ich versuche mich nach rechts zu drehen zur Hebamme: Nö!

Ich versuche mich nach links zu drehen: Nö!

Ich habe den Drang zu pressen und gebe dem nach und meine Fruchtblase platzt: Jetzt ist die Fruchtblase geplatzt!

Hebamme: Jup sieht so aus, jetzt ist schonmal der Druck weg gell? Ich schau grad nochmal nach, okay es geht los.

Hebamme geht zur Tür reißt diese auf und brüllt: (Kurt) GEBURT! (Ich schwöre ich habe Kurt Geburt gehört, aber Sebastian hat nur Geburt gehört und der Doktor hieß auch nicht Kurt, also hab ich mich wohl verhört)

In der Zeit kommt schon der Kopf. Die Hebamme kommt wieder zu mir zurück und sagt “ Jetzt nicht weiter pressen, pause machen, sonst geht hier was kaputt“

Ich denke: Ich kann nicht nicht pressen, und wo bleibt Sebastian wenn er die Geburt verpasst dreht er durch.

Die Tür geht wieder auf und eine kleine blonde Frau schubst meine ziemlich schweren Ehemann durch dieselbige. Sebastian schmeißt meine Tasche auf die Couch und kommt zu mir ans Kopfteil, in dem Moment presse ich wieder und unser Sohn ist da.

Ich: Ärzte werden eh überbewertet, die braucht eh niemand.

Hebamme lacht: Aber er muss gleich zunähen ist nämlich gerissen.

Tür geht auf und der Doktor kommt rein.

Unser Ro wurde geboren am 02.07.2021 um 13:29 Uhr (Jup 7 Minuten zwischen Anruf bei Sebo und Kind ist da [Corona Test bei Sebastian wurde gemacht aber erst nach der Geburt ausgewertet]) er war 4350g schwer und 56cm groß.

Zum Vergleich dazu meine anderen beiden.

Lila

04.05.2016 7:32 Uhr

3510g

54cm

Remus

07.05.2018 22.32 Uhr

4280g

57cm

Ro wird aktuell komplett gestillt und ist ein sehr liebes Baby. Er ist super aktiv und versucht zu Robben, hebt seinen Kopf und guckt aufgeweckt seine Umgebung an. Er ist ziemlich weit dafür das er erst 3 Wochen alt ist, aber das war bei den anderen beiden auch so.

Wir sind dann Montag am 05. nach Hause gefahren und haben dann abends einstimmig (Sebo, Lila, ich und Ro) festgestellt das ohne Remus etwas fehlt. Also habe ich die nächsten Tage damit verbracht zu organisieren, dass Remy schnellstmöglich Heim kann.

Am Freitag den 09.07. war es dann so weit, Ro, Lila, Sebo und ich haben unseren Remus abgeholt. Endlich waren wir alle zusammen.

Remus hat sich im Hospiz mit viel Kuscheleinheiten zurechtgefunden, hatte aber starkes Heimweh. Er war froh wieder zuhause zu sein, auch wenn er ziemlich eifersüchtig auf seinen Bruder ist.

Seit wir alle zuhause sind versuchen wir uns wieder einen Rhythmus zu finden, das ist aber nicht ganz so leicht. Mir geht es zwar körperlich viel besser, aber ich bin ziemlich müde und abgeschlagen. Außerdem bin ich für 1,5 Tage ausgefallen wegen Erkältung mit Milchstau und Fieber. Lila war einige Tage nicht in der Kita weil sie krank war. Sebastian hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch weil einfach alles zu viel wurde. Remus krampft immer noch vermehrt, es wird aber langsam besser.

Unsere aktuell Situation ist etwas entspannter als noch vor zwei Wochen. Remus‘ Krämpfe werden besser, er hat ein neues Medikament (Epaclob) was langsam anfängt zu wirken. Er hat jetzt auch ein Morphin Pflaster und bekommt ab heute noch zusätzlich Novalgin gegen die Schmerzen (durch die ganze Krämpfe hat er höchstwahrscheinlich starke Muskelschmerzen). Er ist immer etwas eifersüchtig auf seinen Bruder und möchte viel auf dem Schoß sitzen (hin und wieder sitzt er auf einem meiner Beine während Ro an der anderen Brust trinkt, ich sag euch, das ist anstrengend und schmerzhaft). Er ist zufrieden wenn der Pflegedienst (bei den meisten Schwestern zumindest) sich um ihn kümmert, aber wenn die Feierabend haben wird er zur Klette. Was gemeiner klingt als es sein sollte. Manchmal reicht es Remus auch wenn ich ihm die Hand halte oder er auf meinem Schoß liegt. Ich hoffe das er sich auch bald daran gewöhnt das ich seinen Bruder stille und ihn deshalb nicht weniger lieb habe. Immerhin hat er in den letzten paar Tagen wieder ab und an ein Lächeln durchblitzen lassen.

Lila ist wieder fit und hält uns alle auf Trab, auch sie hat sich verändert und ist in der Entwicklung ein paar Schritte zurück gegangen, wir müssen zum Beispiel nachts wieder Windeln benutzen. Aber auch hier denke ich wird sich mit der Zeit wieder das Gefühl der Sicherheit stärken. Dann geht es wieder mit großen Schritten voran.

Sebastian geht es besser, er geht aber am 24.08. für ca 5 Wochen in Reha. Aktuell hilft er neben der Arbeit bei der TEL Westerwald (Technische Einsatzleitung der Feuerwehr) auf dem Nürburgring um die Feuerwehrzüge auf das Kriesengebiet Ahrweiler zu verteilen. Ich war sehr skeptisch ob er sich das auch noch zumuten sollte, aber es scheint ihm gut zu tun. Und am Nürburgring ist er wenigstens von den schlimmsten Bildern verschont. Sebastian vermutet aber, dass die Feuerwehr auch nicht mehr lange beteiligt sein wird, weil deren Auftrag (Retten, Löschen, Bergen, Schützen) ziemlich abgeschlossen ist. Dann können die nichts mehr tun, für Räumen und aufbauen sind andere Instanzen zuständig.

Ro hatte heute seine U3 und Frau Dr. Panajotidis ist eigentlich sehr zufrieden er soll nur mehr zunehmen. Außerdem muss ich die Hüfte nochmal untersuchen lassen. Ich bin ja als Baby breit gewickelt worden und deswegen wurden alle drei Kids nach der Geburt geschallt und müssen bei der U3 nochmal geschallt werden, damit da nicht etwas untergeht. Ansonsten ist er ein sehr zufriedenes Baby was einfach nicht weiß das er erst drei Wochen und nicht 3 Monate alt ist.

Mir geht es auch besser, nachdem die Geburt vorüber war war auch die Depression schnell weg. Die Erkältung habe ich auch überstanden und die Stillproblemchen bekomme ich auch immer schnell in den Griff. Ich versuche mich auch nicht verrückt zu machen wegen der Zeit wo Sebastian weg ist. Aber werde wohl bald mal anfangen müssen mir Unterstützung für diese Zeit zu suchen. Vor allem muss ich auch mit unserer Haushaltshilfe klären wie oft sie kommen kann, denn meine Kasse bezahlt vermutlich nicht mehr jetzt wo die Geburt rum ist. Mal sehen.

Soooo jetzt fällt mir erstmal nix mehr ein, ich hoffe ich habe nichts vergessen.

Ich bedanke mich fürs lesen und wünsche euch allen eine gute Zeit, bleibt sicher und gesund.

Alles liebe

eure Sarah


Vielen Dank an den aufmerksamen Leser, der mich darauf hingewiesen hat, dass ich Ro’s richtigen Namen verwendet habe.