Remus' Weg

11. Dezember

Ich entschuldige mich bei euch, dass ich euch schon wieder solange habe hängen lassen. Aber mein Körper konnte mich einfach nicht leiden. Jetzt geht es mir zwar wieder gut, aber auch Remus ging es in den letzten Wochen sehr sehr schlecht.

Remus hat am 22. November angefangen sich zu übergeben. Das ganze ist dann soweit eskaliert, dass er sich täglich bei jeder Mahlzeit und später auch zwischendrin übereben hat. Außerdem hatte er sehr starken Durchfall. Wir haben recht schnell die Breie eingestellt und ihn versucht mit Tee mit Oralpädon (Elektrolyte) und Nutrini (Sondennahrung) bei Kräften zu halten. Allerdings hat das auch nicht wirklich gut funktioniert, da sein Durchfall immer schlimmer wurde und er teilweise nur noch gelbliches Wasser abgesondert hat. Zwischendrin haben wir dann auch das Nutrini vorerst abgesetzt da er auch dieses immer wieder ausgespuckt hat.

Zwischendrin hatten wir die Hoffnung, dass er auf dem Weg der Besserung ist, aber dann hatte er wieder einen Rückfall. Dieser war so schlimm, dass der Stuhlgang, der zwar nicht mehr nur aus Wasser bestand, sondern etwas mehr Substanz hatte, weiß wurde. Und das hat dann sogar im Palliativteam Panik ausgelöst. Denn das bedeutet das die Leber motzt. Remus‘ Leber ist durch das Krankheitsbild der Gangliosidose sowieso vergrößert und wenn die jetzt auch noch aufgibt??? Also musste ich eine Entscheidung treffen. Infusion von zuhause, oder Krankenhaus. Ohne groß zu überlegen habe ich beschlossen, dass wir erst die Infusion versuchen, bevor wir Remus einen Krankenhausaufenthalt in der aktuellen Corona-Lage zumuten.

Das Palliativteam hat also eine Infusion unter Remus‘ Haut gelegt, denn die Venen waren mittlerweile so leer, das da gar nichts mehr ging. Das heißt, statt wie normalerweise Kochsalzlösung direkt in die Vene gepumpt zu kriegen, hat er es unter die Haut an seinem linken Oberschenkel bekommen. Ich hab zu dem Zeitpunkt schon einige Tage mit Remus auf der Couch geschlafen, damit ich bei ihm sein und jederzeit Helfen kann. (Ausgelöst hatte das eine Nacht in der Remus plötzlich Blut gespuckt hat, weil das Ewige erbrechen seinen Rachen und Mundraum stark angegriffen hat und dieser durch den Husten angefangen hat zu Bluten, es ist nur in der einen Nacht gewesen und seit dem nicht mehr)

Dadurch, das ich mich für die Infusion entschieden hatte mussten wir von der Apotheke eine große Flasche Kochsalzlösung besorgen, denn trotz gut organisiertem Auto war diese natürlich nicht mit dabei, dafür aber ein Perfusor. Das ist ein Gerät in dem eine 60ml Spritze eingespannt wird und das diese ganz langsam leer drückt. Also das Gerät mit dem die Infusion gemacht wurde. Natürlich hat es nicht allzugange gedauert bis eine Spritze leer war. Genau genommen hat es 1,5 Stunden gedauert. Das hies also für mich, dass ich alle anderthalb Stunden die Spritze wieder aufziehen neu einlegen und starten durfte. Und das ganze ging bis kurz vor 8 Uhr morgens. Außerdem haben wir an dem gleichen Tag (es war übrigens am Donnerstag den 03.12.2020) haben wir für Remus von Nutricia (unser PEG Versorger von dem wir für die Sonde alles bekommen vom Verbandsstoff bis zur Nahrung) eine Lebensmittelpumpe bekommen, denn ich kann so langsam und gleichmäßig nicht füttern. Seit dem Tag hat Remus die Pumpe vorerst 24 Stunden dran. Er bekommt also rund um die Uhr Tee und seit dem Wochenende auch 3x am Tag 100ml Nutrini.

Am Freitag drauf kam dann das Palliativteam (das dritte mal diese Woche) und war sehr glücklich. Denn die Infusion hat wirklich gut gewirkt. Die Dehydrierung war kaum noch vorhanden und obwohl er ein sehr dickes Bein hatte (so schnell nimmt der Körper das ganze Wasser von der Infusion ja nicht auf) ging es ihm schon viel besser. Aber er hat noch immer auch heute noch Durchfall. Heute allerdings zum ersten mal wieder bräunlich und nicht grün oder gelb. Und ich glaube es stinkt langsam auch etwas weniger. Denn der Geruch des Durchfalls ist abartig stark und ätzend.

Übergeben hat er sich glaube ich das letzte mal am Samstag und seit ein paar Tagen wissen wir nun auch das Chlostridien (Bakterien) für sein Elend zuständig sind. Diese Bakterien sind eigentlich nicht gefährlich und können bei einem gesunden Menschen höchstens ein bisschen Durchfall, aber bei immungeschwächten Kämpfern wie Remus können diese Katastrophale Auswirkungen haben wie man sieht. Die Bakterien bekämpfen wir nun mit Antibiotika, daher geht es ihm jetzt schon etwas besser. Dummerweise hat er jetzt auch noch eine Erkältung bekommen, die er sich vermutlich von Lila eingefangen hat, die genau aus dem Grund die ganze Woche schon zuhause ist.

Aber im Ganzen geht es Remus besser. Und er hat wieder einmal bewiesen, dass er noch lange nicht gehen will und das er bereit ist zu Kämpfen um noch ein paar Tage oder Monate oder vielleicht sogar Jahre bei uns zu bleiben. Ich bin dankbar und stolz darauf solch einen starken kleinen Helden zu haben und obwohl ich selbst und auch mein Sebastian auf dem Zahnfleisch kriechen würden wir ihn nicht hergeben wollen. Auch wir kämpfen solange bis Remus keine Lust mehr hat.

Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen, wenn ich aktuell nicht so regelmäßig schreibe, aber zwischen all dem Chaos kommen immer wieder Schläge mit denen wir nicht rechnen. Zum Beispiel Rechnungen die unerwartet hoch ausfallen oder Heizungen die überholt werden müssen, oder das Jugendamt das plötzlich und unerwartet vor unserer Tür steht, weil sich jemand anonym gemeldet hat das wir Unterstützung brauchen. (Die haben dann auch gleich Live und in Farbe zusehen dürfen wie Remus‘ Windel einfach mal ausgelaufen ist, weil sein Stuhlgang so flüssig ist) Auch mein Körper hat öfter Probleme gemacht scheint sich aber letzte Woche beruhigt zu haben, nur muss ich jetzt wieder vermehrt auf meinen Zucker achten. Dann hatten wir in der Familie noch eine Schockdiagnose die jetzt bekämpft wird und wo die Ärzte einen positiven Ausgang sehen. Sogar Lila’s Fahrrad konnte gerettet werden. Denn ich habe einfach nochmal eine Beschwerde E-Mail an den Fahrradladen geschickt und dort hat sich uns jemand angenommen und das Teil generalüberholt. Der Lenker ist fest, die Bremsen sind neu und hochwertiger und das ganze Fahrrad ist irgendwie stabiler. Das ganze haben die dann auch nicht berechnet. Also alles in allem ist unser Leben aktuell sehr stressig und chaotisch und vor allem Kraftraubend.

Sebastian arbeitet weiterhin von früh morgens bis Nachmittags und hilft danach noch zuhause wo er kann, ich bin 24 Stunden mit Remy beschäftigt und schlafe seit fast zwei Wochen mit ihm auf der Couch. Und Lila? Lila ist ganz sie selbst. Sie lässt sich nicht unterkriegen und tanzt uns alle in Grund und Boden.

Ich versuche jetzt wieder öfter zu schreiben, kann es aber wirklich nicht versprechen, also habt bitte etwas Nachsicht mit mir.

Alles Liebe eure Sarah